Julien

Fast jeden Tag kam Tina zu mir. Zusammen mit ihrer Mami zog Tina, nachdem ihr Daddy sie verlassen hatte in unsere Nachbarschaft. Das Kind war immer sehr froh wenn es in unserem grossen Garten spielen durfte. Meine Frau und mich störte das kaum.

Tina war immer sehr lieb und brav, und mit ihrem Lächeln eroberte sie die Herzen unseres ganzen Dorfes. Ich wurde schnell der nette liebe Onkel von nebenan. Anfangs war meine Frau ja etwas eifersüchtig, aber sie merkte dann doch recht schnell, dass Tinas Mami mich nicht intressierte und ich wirklich nur ein netter Mensch war, der sich rührend um die Nachbarn kümmerte. Tina spielte in unserem Garten, ass bei uns zu Mittag und später, als ihre Mami mal ein Date hatte, durfte sie bei uns übernachten. Wir waren fast, wie die Grosseltern. Als ihre Mami dann den neuen Freund besser kannte, fuhren sie zusammen in Urlaub. Zurück kamen aber nur Tina und ihre Mami. Das wunderte mich etwas, erklärte für mich aber warum Tina nicht mehr lachte, wenn ich sie denn mal sah. Sie kam auch nicht mehr zum spielen oder zum Eis essen. Irgendwann sah ich sie mal und wollte sie fragen, aber sie sah mich an wie einen Fremden. Dabei war ich es doch, der nette Onkel von nebenan, mit dem sie vorher fast täglich Stunden verbrachte. Das überraschte mich nun doch sehr und ich fragte nach bei ihrer Mutter. Ich bot auch meine Hilfe an, falls sie vielleicht Angst hätte, würd ich sie von der Schule abholen oder so. Ihre Mutter wollte zuerst nichts sagen. Bis in mir ein ungeheurer Verdacht aufkam. Ich wagte kaum es auszusprechen, doch ich tat es dann. Und in dem Moment schien es als würde eine tonnenschwere Eisdecke zerbrechen. Die Frau, die vom Alter her,meine Tochter hätte sein können war nur noch am reden und weinen. Dieser Kerl, in den sie sich verliebt hatte, hatte ihre Tochter missbraucht. Schamlos und brutal hatte er sich an Tina, die nun glaubte endlich einen neuen Daddy zu haben, vergangen. Nur durch einen Glücksfall war das Verbrechen schnell aufgeflogen, der Täter schnell verhaftet. Aber Tinas Schmerz verflog nicht. Tina lachte nie wieder. Wann auch immer sie einen Mann sah machte sie einen grossen Bogen. Auch das Vertrauen in mich hatte sie verloren. Es vergingen ein paar Jahre. Tinas Lächeln kannten meine Frau und ich nur noch in der Erinnerung. Sie kam nie wieder zu uns. Aus dem lustigen Kind war ein Teenager voller Angst, Misstrauen und Traurigkeit geworden. Vor ein paar Tagen sah ich sie wieder. Neben mir blieb Sie stehen, sah mich an und fragte "Warum?" Ich weiss es nicht, sagte ich ihr, kniete mich hin und nahm ihre Hand. Tina wich sofort zurück. Ihre Augen waren, ich würde fast schon sagen, mit Hass erfüllt. Alles was dieser eine Dreckskerl ihr angetan hatte,lud sie auf andere ab. Es war eine grosse Traurigkeit in mir und ich verlor ein paar Tränen. Tina sah das,schüttelte ungläubig den Kopf und liess mich da sitzen. Heute, jedoch sah ich sie wieder lächeln. Doch ihr Lächeln brach mir fast das Herz. Sie lächelte mich von ihrer Todesanzeige aus an. Den Schmerz, den Ekel, all das Übel hatte sie nie verkraftet.